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Positive Beziehungen in der Arbeitswelt

von Albert Glossner, 13. Mai 2024

Positive Beziehungen fördern Wohlbefinden, Motivation und Leistung. In der modernen Arbeitswelt erleben wir aber häufig Zeitdruck, räumliche Distanz und Ausgrenzung. Gabrielle Kellerman gibt Impulse, wie in einer sich stetig beschleunigenden Arbeitswelt Beziehungen gestärkt werden können.

Positive Leadership und Beziehung

Alle namhaften Ansätze des Positive Leadership betonen den Faktor „Beziehung“. Kim Cameron nimmt Bezug auf Forschungen, welche das 5:1 Verhältnis (5 positive / wertschätzende Interaktionen vs. 1 negativ / kritischen Interaktion) bei erfolgreichen Teams beobachtet (Cameron 2012). Er spricht von positiver Beziehung und von positiver Kommunikation. In seinem neuesten Buch fordert er, dass Führungskräfte als „positive Energetisierer“ wirken sollen und belegt dies mit entsprechenden Forschungsergebnissen (Cameron 2021): Positiv energetisierende Führungskräfte haben einen positiven Einfluss auf Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden, Engagement und Leistung der Teammitglieder.

Bei Markus Ebner ist die positive Arbeitsbeziehung von Führungskraft und Mitarbeiter, aber auch die Förderung der kollegialen Beziehung zwischen Mitarbeitenden einer der fünf Erfolgsfaktoren von PERMA-Lead (Ebner 2019)

Verbundenheit in der Arbeitswelt

Für Gabriella Rosen-Kellerman (2023) ist Verbundenheit, soziale Unterstützung und Beziehungsaufbau eine der fünf psychologischen Kräfte, die als mentales Toolkit für die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts wichtig sind. Verbundenheit (im Gegensatz zu Einsamkeit), so fasst Kellerman den Forschungsstand zusammen, hat positive Auswirkung auf Lebensdauer, auf Wohlbefinden, auf Motivation und Leistung.
Die moderne Arbeitswelt weist allerdings drei große Hindernisse auf, die, im Vergleich zu den früheren Arbeitsbedingungen einen Beziehungsaufbau enorm erschweren:

  • Zeitdruck
  • räumliche Trennung und
  • Wir-sie-Denken

Zeitdruck

Experimente zeigen, dass Menschen viel weniger Bereitschaft zeigen, andere zu unterstützen, wenn sie unter Zeitdruck stehen. Gerade Menschen mit einer hohen Aufgabenorientierung bewerten den Zeitmangel als besonders großes Hindernis für den Beziehungsaufbau. Allerdings, so Kellerman, ist dieser Zeitmangel oft subjektiv und es lohnt sich, sich mit der eigenen Einstellung zurzeit auseinanderzusetzen. Kellerman zitiert eine Studie zu Zeitwohlstand. Diese hat das bemerkenswerte Ergebnis, dass gerade dann, wenn wir Zeit für andere verschenken (im Gegensatz zu Zeit für sich selbst zu nutzen), wir gefühlten Zeitwohlstand erleben. Zeitwohlstand entsteht, wenn wir Zeit für andere verschenken.

Die andere Strategie, mit dem gefühlten Zeitdruck umzugehen, ist sich bewusst zu machen, dass Beziehungsaufbau und Mitgefühl auch in kurzer Zeit möglich sind. Studien zeigen, dass dafür weniger als eine Minute nötig ist: Ängste von Patienten können durch Beziehungsaufbau und Mitgefühl durch behandelnde Ärzte deutlich reduziert werden, selbst wenn diese weniger als eine Minute dafür investieren.

Positivitätsresonanz oder High Quality Connections sind weitere Konzepte der Positiven Psychologie, die beschreiben, wie Verbundenheit in kurzen Begegnungen ermöglicht werden kann.

Räumliche Trennung

Ein weiteres Kennzeichen der modernen Arbeitswelt ist, dass wir immer seltener zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind. Gespräche, Meetings, Workshops und Seminare finden online statt. Das ist Fluch und Segen zugleich. Kellerman untersucht, wie Freundlichkeit auf den verschiedenen Kommunikationskanälen (persönlich, Video, Telefon, E-Mail, Social-Media-Platformen) wirkt. Sie stellt fest, dass synchron ausgeübte Freundlichkeit – im persönlichen Gespräch, am Telefon oder per Video am besten funktioniert. Assynchron ausgeübte Freundlichkeit (E-Mail, SMS, Social Media) wirkt weniger. Damit wird ergänzt, was wir aus Erfahrung schon wissen: Beziehungsklärung über E-Mail oder Whatsapp ist kaum möglich. Offensichtlich gilt gleiches für positiven Beziehungsaufbau. Beziehung und Verbundenheit benötigt eine Kommunikationsform, die zeitlich gleichzeitig stattfindet (Telefon, Video, optimalerweise persönlicher Kontakt)

Wir-sie-Denken

Die Entwicklung von Eigengruppen- und Fremdgruppendynamiken ist ein grundlegendes sozialpsychologisches Phänomen. Zahlreiche sozialpsychologische Experimente zeigen, wie schnell Menschen eine Gruppenzugehörigkeit entwickeln und damit verbunden Menschen, die nicht dazu gehören, ausgrenzen. Wo ein „wir“ ist, da ist auch ein „sie“. Neurologische Befunde zeigen: wenn jemand aus der Eigengruppe Schmerzen hat, wird das emotionale Gehirn aktiviert, wir empfinden Mitgefühl. Das ist bei Mitgliedern der Fremdgruppe weit weniger. Der Kreis, innerhalb dessen wir ein Gefühl für Moral haben, erstreckt sich auf das „Wir“ und nicht auf das „Sie“. Eigengruppen- und Fremdgruppendynamiken sind weit über Fachkreise bekannt geworden, als Beispiel dafür sei der Kinofilm „Das Experiment“ genannt.

Sich dieser Phänomene bewusst zu machen und den Kreis des „Wir“ zu erweitern, hat in mehrfacher Hinsicht Bedeutung: Wir leben in einer Zeit, in der die wichtigsten und langfristigsten Probleme nicht mehr auf der Ebene des eigenen Stammes oder der eigenen Nation gelöst werden können. Zur Lösung globaler Probleme ist es nötig, den Kreis des „Wir“ auf die gesamte Menschheit übertragen.

Kellerman untersucht die Auswirkung des „Wir-Sie-Denkens“ auf die Arbeitswelt. Eine positive Auswirkung ist, dass Zugehörigkeitsgefühl wesentliche Bedeutung für Teamleistung hat. Aber das Wir-Sie-Denken hat auch negative Effekte. Beispiele dafür sind:

  • Der Verlust von Zugehörigkeit und Identifikation,
  • Ausgrenzung von Teammitgliedern,
  • neue Teammitglieder werden nicht integriert,
  • Mitgliedschaft in mehreren Teams gleichzeitig verhindert Zugehörigkeit,
  • Personen, Gruppen oder Teams, die nicht zum eigenen „Wir“ gehören, werden nicht unterstützt oder ausgegrenzt.

So wie Zugehörigkeit zur Erhöhung der Teamleistung hat, führt Ausgrenzung zur Verminderung der Individualleistung. Wie lässt sich der Effekt der Ausgrenzung umkehren? Hier beschreibt Kellerman vier Wege:

  • Ermächtigung: Wird einem Teammitglied, das zuvor ausgegrenzt wurde, die Möglichkeit gegeben, Verbesserungsvorschläge einzubringen, wird der negative Effekt der Ausgrenzung aufgehoben.
  • Individuation: Damit ist gemeint, nicht die Zugehörigkeit zur Gruppe, sondern die Eigenschaften der einzelnen Personen zu sehen.
  • Rekategorisierung: eine Identität zu finden, zu der wir gemeinsam dazugehören.
  • Perspektivübernahme: beispielsweise Mitglieder der Eigengruppe zu bitten, sich vorzustellen, wie ein Mitglied der Fremdgruppe die Welt sieht.

Auf welchem Weg auch immer, für die Gestaltung positiver Beziehungen in der Arbeitswelt ist bedeutsam, bewusst mit “Wir-Sie-Dynamiken" umzugehen und Wege zu finden, deren negativen Effekte aufzulösen. Letztendlich ist Kommunikation in Echtzeit der beste Weg, negative Effekte des Wir-Sie-Denkens zu minimieren. Häufig genügt schon Zuhören, um das Individuum zu sehen und nicht nur seine Gruppenzugehörigkeit.

Quellen:

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