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von Albert Glossner, 05. April 2024
Wie definieren wir unsere Beziehung zur Natur? Welche Auswirkung hat dies auf umweltgerechtes Verhalten? Auf dem Hintergrund von Klima- und Biodiversitätskrise haben diese Fragen allerhöchste Priorität. Mit dem Konzept der „Verbundenheit mit der Natur“ hat die Positive Psychologie einen Beitrag geleistet, der verdient, über Fachkreise hinaus zur Kenntnis genommen zu werden.
Die Art und Weise, wie wir individuell unsere Beziehung zur Natur gestalten spielt sich auf dem Hintergrund kultureller Glaubenssysteme zur Beziehung Mensch-Natur ab. Clayton und Myers (2015) haben untersucht, wie verschiedene Gesellschaften und Kulturen ihre Beziehung zur Natur definieren. Diese Analyse hat drei grundsätzliche Wege verdeutlich, wie die Beziehung von Mensch zu Natur definiert werden kann:
A) Der Mensch bestimmt, beherrscht und nutzt Natur und deren Ressourcen (anthropozentrierte Weltsicht)
B) Mensch und Natur leben in Harmonie
C) Der Mensch sieht sich als Teil der Natur (Ökozentierte Weltsicht)
Die Autoren verbinden ihre Analyse mit der Beobachtung, dass nur Gesellschaften mit einer ökozentrierten Weltsicht (Kategorie C) bislang wirklich nachhaltig mit den Ressourcen der Natur umgegangen sind. Die psychologische Trennung von Mensch und Natur wird unterstützt von einer körperlichen Trennung von Mensch und Natur. Verstädterung und immer weniger Möglichkeiten der Naturerfahrung führen im Extremfall zu einem Aussterben realer Naturerfahrungen
In einem anderen Beitrag habe ich einen Überblick über Forschung zu den positiven Effekten von Natur auf die Psyche dargestellt. Die Forschung hat aber gezeigt, dass nicht nur der reine Aufenthalt oder Kontakt mit der Natur zu Wohlbefinden führt, sondern dass hier die subjektive Verbundenheit mit der Natur eine Rolle spielt. Verbundenheit mit der Natur (nature connectedness) wird definiert als das Gefühl, emotional mit der natürlichen Welt verbunden zu sein.
Studien haben gezeigt, dass Nature Connectedness tendenziell höher bei Menschen ist, die frühere (Kind-)Erfahrungen der Natur haben (Hinds & Sparks 2008), aber auch bei denen, die die sich häufig in der Natur aufhalten. Korrelationsstudien haben gezeigt, dass Nature Connectedness mit eudaimonischem Wohlbefinden (Autonomie, Vitalität, Bedeutung und persönliches Wachstum) verbunden ist (Cervinka et al. 2012) aber auch mit hedonistischem Wohlbefinden (Capaldi et al. 2014) in Verbindung steht.
Barragan et. al. (2023) haben in einer Meta-Analyse über 832 Studien die Auswirkungen der psychologischen Verbundenheit mit der Natur (Ausmaß, in dem sich Menschen als Teil der Natur empfinden) und/oder physischen Verbundenheit mit der Natur (Kontakt mit der Natur) auf Gesundheit, Wohlbefinden und Umweltschutz zusammen. Die Analyse zeigt, dass
Dies wurde nicht nur in Korrelationsstudien gezeigt, ein Kausalzusammenhang konnte auch in verschiedenen Experimenten nachgewiesen werden.
Die gute Nachricht ist: wenn umweltfreundliches Verhalten gespeist wird von Verbundenheit mit der Natur oder, wie Clayton und Myers (2015) es beschreiben, von einer Identität, die Bewahrung und Erhaltung der Natur als Teil des Selbstkonzepts versteht, dann brauchen wir nicht mehr von Verzicht sprechen.
Dann entsteht umwelt- oder klimagerechtes Verhalten nicht aus Verboten / Geboten, nicht aus schlechtem Gewissen oder einem „ich sollte“ oder „ich müsste“, sondern aus einer Verbindung mit eigenen Werten und im besten Fall aus einer intrinsischen Motivation heraus. Dann bedeutet umwelt- und klimagerechtes Verhalten Freude und wird als sinnstiftendes Verhalten erlebt. Das Modell des Motivationskontinuums von Deci und Ryan (2000) bietet dafür einen konzeptionellen Rahmen. Clayton und Myers stellen auch einen Querbezug von umweltgerechten Verhalten und den menschlichen Grundbedürfnissen nach Deci und Ryan her: umweltgerechtes Verhalten ist verbunden mit Autonomie (ich entscheide mich dafür), mit Kompetenz (ich tue unmittelbar etwas und bin Selbstwirksam) und mit Bindung (ich fühle mich mit der Natur verbunden).
Dies bedeutet, dass wir im Zusammenhang von klima- und umweltgerechten Verhalten nicht mehr in der Kategorie von „Gebot“, „Pflicht“ der „Verzicht“ denken und argumentieren brauchen. Klima- und umweltgerechtes Verhalten, gespeist aus der Quelle der Verbundenheit mit der Natur, wird zu einem Verhalten, das verbunden ist mit Freude, mit Sinn und mit intrinsischer Motivation.
Die Forschergruppe um Richardson (2020) hat die Frage untersucht, wie umweltfreundliches Verhalten (pro nature conservation behaviour) entsteht. Mit „umweltfreundlich“ ist Verhalten gemeint, das aktiv die Erhaltung der Biodiversität unterstützt. Dazu haben sie bei insgesamt 1298 Personen unterschiedliche Variablen erfasst: demografische Daten, Verbundenheit mit der Natur, Naturerfahrung (Zeit in der Natur, einfache Aktivitäten in der Natur), aber auch Wissen und Einstellungen zu Natur und Umweltfragen und tatsächliches umweltfreundliches Verhalten.
Hier hat sich gezeigt, dass reine Zeit in der Natur keine signifikante Rolle spielt. Verbundenheit mit der Natur und einfache Aktivitäten in der Natur haben den größten Vorhersagewert zu umweltgerechtem Verhalten. Mit „einfache Aktivitäten in der Natur“ sind alltägliche Tätigkeiten gemeint, mit denen wir Natur sinnlich erfahren, also z.B. Landschaften betrachten, im Garten sitzen und entspannen, Vögel beobachten, Sternenhimmel oder Sonnenuntergänge anschauen, Wildblumen riechen, Muscheln sammeln usw..
Die Autoren empfehlen, zur Förderung von umweltgerechten Verhalten Aktivitäten und Interventionen zu entwickeln und einzusetzen, die über eine sinnliche Naturerfahrung die Verbundenheit mit der Natur stärken.
Die Klima- und die Biodiversitätskrise stehen in Verbindung mit der Art und Weise, wie wir individuell wie kollektiv unsere Beziehung zur Natur definieren und gestalten. Eine Trennung von der natürlichen Welt geht einher mit Störungen im Ökosystem, aber auch mit dem vermehrten Auftreten psychischer Störungen.
Verbundenheit mit der Natur spielt eine zentrale Rolle für umweltfreundliches Verhalten. Alles zu tun, was unsere Verbundenheit mit der Natur stärkt, ist sowohl ein Beitrag für die Erde als auch für das eigene Wohlbefinden.
Einfache Aktivitäten, die eine Auseinandersetzung mit der Natur über unsere Sinne ermöglichen und gleichzeitig Freude bereiten, stärken unsere Verbundenheit mit der Natur.
Das Thema Verbundenheit mit der Natur ist auch ein zentrales Thema der Ausbildung Positive Psychologie Level 1.
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