
Gruppenentwicklung im Training
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, 08. September 2021Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Trainings ist es, die Entwicklung einer Lerngruppe zu fördern. Dies unterstützt die Beteiligung, den Austausch und die Lernbereitschaft des Einzelnen. Dies gilt für Präsenztrainings, aber genauso auch für Live-Online-Trainings. Wie kann dies ich als Trainer*in unterstützen?
Gruppenentwicklung und Lerngewinn
Ich vermute, jeder kennt es aus eigener Erfahrung: Wenn ich mich als Teilnehmer*in in einer Gruppe wohlfühle, weiß, wer noch alles da ist, einige vielleicht schon etwas intensiver kennengelernt habe und die Atmosphäre in einer Gruppe als positiv erlebe, dann fällt es mir leichter, mich auf die Themen einzulassen. Dies gilt umso mehr, wenn die Trainingsthemen auch etwas damit zu tun haben, wie ich als Person eine bestimmte Rolle ausfülle. Also wenn es darum geht, mich nicht nur mit inhaltlichen Themen, sondern auch mit mir auseinanderzusetzen: mit meinen Erfahrungen, meinen Einstellungen, meinem bisherigen Verhalten und der Bereitschaft, etwas Neues zu erproben.
Umgekehrt haben viele von uns wahrscheinlich auch schon die Erfahrung gemacht, dass Konflikte in einer Gruppe die Auseinandersetzung mit den Inhalten oder der eigenen Person zu beeinträchtigen. Insbesondere dann, wenn es nicht gelingt, diese Konflikte auf konstruktive Weise zu thematisieren, zu bearbeiten und vielleicht auch zu lösen.
Es liegt auf der Hand, dass Gruppendynamik in Online-Trainings nicht die Rolle spielt, wie in Präsenztrainings. Aber gerade der Erfolg von Online-Trainings ist davon abhängig, inwieweit es gelingt, die Teilnehmenden in diesem eher distanziertem Rahmen auch persönlich anzusprechen, zu beteiligen und aktiv werden zu lassen. Anders formuliert: Gerade bei Online-Trainings ist ein gewisses Maß an Gruppenentwicklung notwendig, um Beteiligung und Lernerfolg sicher zu stellen.
Ein wenig Theorie: Kommunion und Kommunikation
Für mich war das Modell des Wechselspiels der beiden Faktoren Kommunion und Kommunikation sehr hilfreich, um den Prozess der Gruppenentwicklung besser zu verstehen. Ich habe dieses Konzept durch Rainer Molzahn kennengelernt.
Der Begriff „Kommunion“ klingt zunächst etwas ungewöhnlich. Gemeint ist damit das gemeinsame Erleben, also das gefühlte gemeinsame Erleben von Gemeinschaft, dem „Wir“ in der Gruppe. Dies entsteht schon allein dadurch, wenn wir mit anderen Menschen in der gleichen Situation sind, gemeinsam mit der gleichen Herausforderung konfrontiert sind oder die gleiche angenehme Situation erleben. Im Training können wir dies unterstützen, indem wir beispielsweise Übungen oder Spiele einsetzen, die ein emotionales Erleben aktivieren. Oder Musik einsetzen. Oder Gemeinsamkeiten ansprechen und verstärken.
Mit „Kommunikation“ ist der Austausch gemeint. Ein Austausch von Informationen wird dann zum wirklichen Austausch, wenn wir über Unterschiedlichkeiten sprechen. Wenn es um Gemeinsamkeiten geht, bleibt es bei der Kommunion. Echte Kommunikation findet statt, wenn über Unterschiede gesprochen wird: Ich sehe das so, du siehst es anders. Ich erlebe es so, andere anders. Wenn wir ermöglichen, erlauben und erleben, dass Unterschiede und Vielfalt sein dürfen.
Im Training können wir dies erleben, wenn beim Kennenlernen nicht nur über Gemeinsamkeiten, sondern auch über Unterschiede gesprochen werden kann. Wir können es durch Blitzlicht, Reflexion oder Feedback fördern. Auch Partner- und Gruppenarbeiten fördern Kommunikation.
Die Idee ist nun, dass Gruppenentwicklung beides benötigt: Kommunion und Kommunikation. Wenn nur eines von beiden stattfindet, stagniert die Gruppenentwicklung. Eine Gruppe, die nur auf Harmonie und Gemeinsamkeit setzt, entwickelt sich nicht wirklich weiter. Einer Gruppe, die vor allem auf Kommunikation von Unterschieden setzt, fehlt das verbindende Element der Kommunion.
Dieses Prinzip lässt sich auf jede Form von Gemeinschaft anwenden, nicht nur für Lerngruppen, sondern auch für Arbeitsteams, für Liebesbeziehungen, für Freundschaften und auch für Gesellschaften. Es braucht den Wechsel von beidem, der Wahrnehmung von Unterschieden und das Erleben von Gemeinsamkeiten.
In der Praxis
Wenn wir diese Idee auf unsere Rolle als Trainerinnen und Trainer beziehen, bedeutet dies, dass wir beides unterstützen dürfen: Phasen, in der Kommunion im Vordergrund steht und Phasen, in der Kommunikation im Vordergrund steht.
Ich erinnere mich an eine Trainerin, die den Einsatz von Spielen als wesentliches Element der Entwicklung von Gruppen verstanden und genutzt hat. Bis sie einmal die Erfahrung machte, dass eine Gruppe müde war vom Spielen. Sie forderten, dass es Zeit zum Reden und für einen Austausch sei. Als sie auf diese Bitte mit einem weiteren Spiel reagiert hat, ist die Gruppe in massiven Widerstand gegangen und hat alles Weitere blockiert. So lange, bis die Möglichkeit bestand, in Austausch, Kommunikation und auch in den Konflikt zu gehen.
Beispiele, wie ich Kommunion im Training fördern kann:
- Aktivierungsübungen
- Teamübungen
- Spiele
- Musik
- Betonen von Gemeinsamkeiten
- Raumgestaltung und im Kreis sitzen
- Gemeinsame Herausforderungen
- Gemeinsamkeiten ansprechen und betonen
- Humor, Spaß und Lachen
- Verständnis und Einfühlung
Beispiele wie ich Kommunikation im Training fördern kann:
- Kennenlernen (auch über Unterschiede)
- Blitzlicht-Runden
- Reflexion von Übungen
- Meta-Kommunikation
- Feedback
- Partner- und Gruppenarbeit
- Reflexionsübungen in Verbindung mit Austausch
- Unterschiedlichkeiten wahrnehmen, schätzen und respektieren
Sowohl im Präsenz- als auch im Online-Training halte ich es für wichtig, diese Elemente zu nutzen. Zwar jeweils auf unterschiedliche Weise, aber im Wechselspiel von Kommunion und Kommunikation.